Kernseife: Die Urform der festen Seife

Eine Kernseife des Herstellers Wilhelm Hoyer von 1948. Gezeigt im Heimatmuseum Römstedthaus in Niedersachsen.
Eine Kernseife des Herstellers Wilhelm Hoyer von 1948. Gezeigt im Heimatmuseum Römstedthaus in Niedersachsen.

HISTORISCH. Die Kernseife ist der Klassiker unter den festen Seifen. Viele Jahrhunderte lang gab es keine anderen. Ihre Blütezeit erlebte sie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Zeit der Industrialisierung. Sie war bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in den meisten Haushalten eine Selbstverständlichkeit.

Traditionell werden Kernseifen in großen Kesseln hergestellt. Hinein kommen Fette und Natronlauge, diese werden darin meist mehrere Tage lang gesiedet und immer wieder durchgerührt. Mit der Zeit beginnt der Verseifungsprozess, wenn er weiter fortgeschritten ist, wird der Seifenleim zähflüssig.

Der Siedemeister beobachtet die Seife im Kessel aufmerksam und kann oft schon an der Konsistenz des Leims und der Art, wie er sich beim Ablaufen von einem hineingetauchten Spatel verhält, abschätzen, wie weit die Verseifung fortgeschritten ist. Aufschluss gibt auch der Tropfentest, dabei wird das Aussehen eines Leimtropfens auf einer kalten Glasplatte beobachtet.

Woher die Bezeichnung «Kernseife» kommt

Den Ausschlag für die Frage, ob die Seife nun tatsächlich fertig ist, gibt verbreitet bis heute gilt der «Zungentest». Dabei probiert der Siedemeister die Seife mit der Zungenspitze. Da der Leim zu diesem Zeitpunkt noch sehr alkalisch ist, brennt er mehr oder weniger auf der Zunge. In der Branche wird dabei vom «Stich» gesprochen. Mit etwas Übung kann der Siedemeister daran ermessen, ob es Zeit ist, die Seife «auszusalzen».

Beim →Aussalzen wird Kochsalz in den Kessel gegeben und mit dem Seifenleim verrührt. Das Salz verbindet sich mit dem Wasser des Leims zu Salzwasser. Dieses hat eine höhere Dichte als die verseiften Fette, daher sammelt sich das Salzwasser im unteren Teil des Kessels, die Seife schwimmt obenauf. Im Seifensiederjargon ist dabei vom «Seifenkern» die Rede, von ihm hat die Kernseife ihren Namen.

Salz für reine Seife

Den unteren Teil des Kesselinhalts nennt man →Unterlauge, in ihr sammeln sich alle durch Laugen und Fette eingetragenen Unreinheiten. Das war vor allem früher ein wichtiger Grund für das Aussalzen, da die verwendeten Rohstoffe lange nicht so rein waren wie heute.

Als Fett wurden in Mitteleuropa vor allem Schlachtabfälle verwendet, in den Mittelmeerländern die letzten, ungenießbaren Pressungen der Oliven. Solche Fette und Öle enthielten immer noch Fremdstoffe, die man nicht in der fertigen Seife haben wollte.

Ein aufwendiges Geschäft

Das galt auch für die Grundstoffe für die Laugenherstellung. In Mitteleuropa meist aus Holzasche gewonnene →Pottasche, im Mittelmeerraum oft natürliches →Soda. Beide wurden durch Vermischung mit →gebranntem Kalk und Wasser zu einer →Lauge, die potent genug zur Verseifung war. All diese Laugenzutaten waren nie hundertprozentig.

Die Herstellung der Kernseifen war früher zwar aufwendig und langwierig, dennoch wurde sie bis zur industriellen Revolution in zahlreichen Haushalten im ländlich geprägten Europa selbst hergestellt.

Ein natürliches Wasch- und Putzmittel

Heute wird Kernseife fast nur in Fabriken hergestellt. Als die wenigen Ausnahmen können die Manufakturen in Marseille, →Aleppo, Nablus und in einigen Mittelmeerländern gelten, die Ihre Seifen oft noch so wie vor hunderten von Jahren traditionell aus Olivenöl oder mit einem großen Anteil davon herstellen. In Industriebetrieben werden dagegen sehr häufig Rindertalg und Palmöle verwendet, oft auch nur deren →Fettsäuren.

Da Kernseifen eine hohe Fettlösekraft haben, wirken sie stark entfettend auf die Haut und bei häufigem Gebrauch austrocknend. Da ihnen auch das hautpflegende Glyzerin fehlt, empfehlen sie sich vor allem zum Putzen und Wäschewaschen. Werden Kernseifen keine Komplexbildner wie →EDTA oder schwer vergänglichen Farben, Düfte oder Konservierer zugesetzt, sind sie rasch hundertprozentig →biologisch abbaubar.

Quelle:

Frey, Wolfgang: «Die Renaissance der Seife», Heiligkreuz, 2025.

Bildnachweis:

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