Babyprodukte sind nicht immer besser

Eine Palmölseife aus dem Supermarkt mit gleich drei Varianten von EDTA: Tetrasodium EDTA, Tetrasodium Etidronate, Disodium EDTA. Daneben ist noch das aus Erdöl gewonnene Paraffinum Liquidum zugesetzt.
Eine Babyseife aus dem Supermarkt: Mit Palmöl, Mineralöl und gleich drei Varianten von EDTA.

Als alltagsübliches Beispiel kann die oben abgebildete Seife der «Baby»-Serie der Marke Penaten gelten, die sich verbreitet im Handel findet und aus dem Hause des US-Konsumgüterherstellers Johnson & Johnson stammt.1 Sie enthält hauptsächlich Dinge, die sie als recht gewöhnliche Industrieseife charakterisieren, dazu noch Inhaltsstoffe, die sie beispielsweise für Naturkosmetiklabels disqualifizieren.

Beworben wird sie auf der Packung mit dem Satz «Für fühlbar babyweiche Haut» und dem Hinweis «Mit Babyöl und Honig», wobei mit «Babyöl» ganz offenbar Mineralöl gemeint ist – ein anderes Öl findet sich nicht auf der Zutatenliste (die dort genannten Palmöle sind bereits verseift). Daneben finden sich gleich drei Varianten des umstrittenen und biologisch nicht abbaubaren Komplexbildners →EDTA in dieser Seife.

Mikrobiologische Tests für Babyprodukte

Zwar verlangt die EU-Kosmetikverordnung2 (die auch in der Schweiz in die nationale Gesetzgebung übernommen wurde) besondere Tests für Kinder unter drei Jahren, diese zielen allerdings zunächst einmal auf die «mikrobiologische Qualität» von Seifen oder anderen Kosmetikprodukten.

Verlangt wird ein sogenannter Konservierungsbelastungstest, es geht also darum, ob sich in der Seife irgendwelche Keime entwickeln können. Das ist allerdings bei festen Seifen so gut wie ausgeschlossen, da sie Keimen ohnehin →keine Aufenthalts‑, geschweige denn Vermehrungsqualität bieten.

Verboten ist kaum etwas

Daneben schreibt die Verordnung vor, dass für kleine Kinder «eine spezifische Bewertung» vorliegen muss.3 Explizit verboten für Kinder unter drei Jahren ist danach ansonsten keiner der vielen zugelassenen Stoffe für Kosmetikprodukte – einzige Ausnahme ist der Konservierer «4‑Hydroxybenzoesäurebutylester»,4 der in Seifen allerdings ohnehin nicht verwendet wird.

In der Praxis bedeutet das, dass sowohl potenziell austrocknende Tenside wie →SLES als auch erdölbasierte →PEG-Substanzen regelmäßig auch in Baby- und Kinderprodukten vorkommen können, etwa in Shampoos oder Badezusätzen. Die geforderte «spezifische Bewertung» überstehen all diese Inhaltsstoffe ganz offenbar problemlos.

Palmöl, Erdöl und drei EDTA-Varianten

So wie auch die EDTA-Varianten, die in der oben gezeigten Babyseife enthalten sind. Ein kleiner Check der Liste der Inhaltsstoffe dieser Penaten-Seife:5

SODIUM PALMATE (verseiftes Palmöl oder Palmölfettsäuren)
SODIUM PALM KERNELATE (verseiftes Palmkernöl oder Palmkernölfettsäuren)

Das sind übliche Zutaten für eine industriell gefertigten →Feinseife. Die Kosmetikindustrie nutzt ebenso wie die Lebensmittelindustrie sehr häufig Palmöle oder seine →Fettsäuren, weil sie die billigsten Pflanzenöle auf dem Markt sind. Allerdings werden für Ölpalmen verbreitet Regenwälder abgeholzt.

AQUA (Wasser)
HONEY (Honig)
GLYCERIN (feuchtigkeitsspendender Wirkstoff)
PALM KERNEL ACID (Fettsäuren des Palmkernöls)
SODIUM CHLORIDE (Kochsalz)

Diese Zutaten können auch in einer hochwertigen Seife vorkommen. →Glyzerin ist etwa in kaltgerührten Manufakturseifen ohnehin enthalten, da es direkt aus den eingesetzten Ölen und Fetten stammt.

Ein Erdölprodukt als «Babyöl»

Dann endet allerdings die Aufzählung dessen, was in entsprechender Qualität für ein «Naturkosmetik»-Label noch erlaubt wäre:

PARAFFINUM LIQUIDUM (aus Erdöl gewonnen)

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht aufgrund von Versuchen an Ratten und Kaninchen aus den 1980er und 1990er Jahren davon aus, dass für Kosmetik zugelassene Erdölprodukte beim Auftragen auf die Haut keine Gesundheitsgefahr darstellen.6 Heute sind Tierversuche für Kosmetikzutaten weitgehend verboten.7

Ökotest: Hat auf Babyhaut «rein gar nichts verloren»

Die Marke Penaten setzt für ihre Produkte vielfach auf Erdölprodukte, so besteht auch die Penaten Creme traditionell aus Paraffinöl. Erst Anfang 2024 wurde die Rezeptur geändert, offenbar wegen anhaltend kritischer Testberichte. So schreibt Ökotest noch im Ende 2023 erschienenen «Jahrbuch Kinder und Familie für 2024»: «Die Kaufmanns Haut- und Kinder-Creme und die Penaten Creme fallen mit ‹mangelhaft› durch, die Nivea Baby Pure & Sensitive Intensiv-Creme ist mit ‹ungenügend› schlechtestes Produkt im Test.»8

MOAH: teils «krebserregend oder erbgutschädigend»

Grund für die Bewertung waren bei der Analyse gefundenen aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH). Ökotest befand dazu: «Zu dieser Stoffgruppe gehören auch Verbindungen, die krebserregend oder erbgutschädigend sind, und wir können nicht ausschließen, dass auch diese probematischen Kandidaten in den Cremes stecken. MOAH können über die Haut aufgenommen werden, so viel weiß man bereits.» Unklar sei noch, ob der Körper sie wieder ausscheide oder ob sie sich dort anreicherten. Klar sei jedoch: «So oder so haben diese Verbindungen auf Babyhaut rein gar nichts zu (sic!) verloren.»9

Paraffine sind für einige Hersteller Usus

Für die Tester war auch die Ursache der MOAH offensichtlich: «…denn es ist ziemlich klar, wo sie herkommen: aus den Paraffinen, die bei den drei Schlusslichtern ganz vorn in der Rezeptur stehen, also mengenmäßig wichtigster Bestandteil sind.»10 Auch die klassische Nivea-Creme basiert im Übrigen auf «Paraffinum Liquidum».11

Zurück zur eingangs besprochenen Babyseife und ihren weiteren Zutaten:

TETRASODIUM EDTA
TETRASODIUM ETIDRONATE
DISODIUM EDTA

Das sind gleich drei Varianten des Komplexbildners und Konservieres →EDTA, der wegen seiner schlechten biologischen Abbaubarkeit und seiner Hautverträglichkeit in der Kritik steht, es aber ganz offenbar trotz einer speziellen Prüfung für Kinder unter drei Jahren in diese Seife geschafft hat.

Duftstoffe: geheimgehaltene Zusammensetzung

PARFUM
[PR-0003218]

Die letzten beiden Einträge in der Zutatenliste sind unspezifizierte Duftstoffe, deren Herkunft für die Anwenderinnen und Anwender unklar bleibt. Codenummern, wie sie hier an allerletzter Stelle auftauchen, sind nach der EU-Kosmetikverordnung erlaubt, um die Zusammensetzung der Duftstoffe nicht bekanntgeben zu müssen.12

Spezielle Baby- oder Kinderprodukte auszuwählen, um dadurch automatisch etwas besonders Mildes, Unumstrittenes oder gar Natürliches zu bekommen, nützt also nicht in jedem Fall. Auch bei Kosmetikprodukten für Kinder unter drei Jahren gibt letztlich nur die jeweils konkrete Zutatenliste Aufschluss über deren tatsächliche Natur. Mehr über die Problematik von Produkten für Babys und Kleinkinder, auch was Betäubungsmittel für «tränenfreie Shampoos» angeht, lesen Sie auch im Buch «Die Renaissance der Seife» ab Seite 105.

Quellen:

  1. Wikipedia: «Penaten-Creme», https://de.wikipedia.org/wiki/Penaten-Creme, zuletzt aufgerufen am 17. Oktober 2024. ↩︎
  2. VERORDNUNG (EG) Nr. 1223/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. November 2009, Stand: 4. April 2024,
    über kosmetische Mittel, Anhang 1, Teil A, Ziffer 3., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1223-20190813, zuletzt aufgerufen am 17. Oktober 2024. ↩︎
  3. Ebd., Anhang 1, Teil B, Ziffer 3. ↩︎
  4. Ebd., Anhang V., Ziffer 12a. ↩︎
  5. Penaten.de: «PENATEN Seife», https://www.penaten.de/produkte/penaten-seife zuletzt aufgerufen am 17. Oktober 2024. ↩︎
  6. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): «Hochraffinierte Mineralöle in Kosmetika: Gesundheitliche Risiken sind nach
    derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten», S. 12, https://www.bfr.bund.de/cm/343/hochraffinierte-mineraloele-in-kosmetika-gesundheitliche-risiken-sind-nach-derzeitigem-kenntnisstand-nicht-zu-erwarten.pdf ↩︎
  7. Deutscher Tierschutzbund e.V.: «So leiden Tiere für die Körperpflege. Was Sie über Tierversuche für Kosmetik wissen sollten», https://www.tierschutzbund.de/tiere-themen/tierversuche/tierversuche-in-kosmetik, zuletzt aufgerufen am 17. Oktober 2024. ↩︎
  8. Ökotest: «Jahrbuch Kinder und Familie für 2024»«Wundschutzcreme-Test: Mineralölbestandteile gehören nicht auf Babyhaut», S. 109, teilweise online verfügbar unter https://www.oekotest.de/kinder-familie/Wundschutzcreme-Test-Mineraloelbestandteile-gehoeren-nicht-auf-Babyhaut_13519_1.html, zuletzt aufgerufen am 20. Oktober 2024. ↩︎
  9. ebd. ↩︎
  10. ebd. ↩︎
  11. Nivea.at: «Nivea Creme 30ml», https://www.nivea.at/produkte/nivea-creme-30ml-424289780064.html, zuletzt aufgerufen am 20. Oktober 2024. ↩︎
  12. VERORDNUNG (EG) Nr. 1223/2009…, a.a.O., Art. 21. ↩︎

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