EDTA & Co. braucht’s nicht für eine gute Seife

Eine stark parfümierte Seife aus Frankreich auf Basis von Palmöl mit gleich zwei EDTA-Varianten: Tetrasodium EDTA und Tetrasodium Etidronate.
Eine stark parfümierte Seife aus Frankreich auf Basis von Palmöl mit gleich zwei EDTA-Varianten: Tetrasodium EDTA und Tetrasodium Etidronate.

Technisch gesehen ist →EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) ein sogenannter Komplexbildner. Dieser soll Metallionen binden, wie sie beispielsweise in hartem Wasser vorkommen und so die Waschwirkung von Seifen erhöhen.

Das hat mit der Neigung der Seife zu tun, in hartem Wasser mit den dort vorhandenen Kalzium- und Magnesiumionen sogenannte →Kalkseifen zu bilden, die in Wasser nicht löslich sind und sich beispielsweise im Waschbecken oder der Duschwanne als schmieriger Belag absetzen können, was bei regelmäßiger haushaltsüblicher Reinigung jedoch kein Problem darstellt.

Ein bekanntes Phänomen

Durch diese Reaktion geht freilich aber auch ein Teil der Seife verloren, der dann nicht mehr zur Schaumbildung und zur Waschwirkung beitragen kann. Dieses Phänomen ist so alt wie die Seife und eine weithin akzeptierte Selbstverständlichkeit bei ihrer Verwendung. Kalkseifenbeläge lassen sich im Übrigen mit jedem billigen handelsüblichen Branntweinessig leicht entfernen.

Da Metallionen jedoch theoretisch auch zum Verderb von Seifen führen können und die Lagerbedingungen im weltweiten Handel nur schwer bis gar nicht kontrollierbar sind, dient EDTA in industriell gefertigten →Seifen auch als Konservierer – auch das kann die Substanz.1 Die Haltbarkeit ist entsprechend auch eines der Hauptargumente der Hersteller.

EDTA in vielen Varianten

So erklärt etwa der britischen Kosmetikhersteller Lush, der unter anderem für seine stark parfümierten und grellbunten Seifen bekannt ist, auf seiner Webseite zum Thema «Tetrasodium Etidronate», einem engen EDTA-Verwandten, «dass damit die Seife nicht schimmelt oder in der Verwendung zu schnell aufweicht», zudem mache die Chemikalie «die Haut spürbar weicher».2

Die Kosmetikfirma L’Oréal unterstreicht unterdessen, EDTA verbessere die «Stabilität und die Optik von Kosmetikprodukten». Zugleich listet das Unternehmen auch alle Varianten auf, unter denen EDTA in seinen Produkten deklariert ist: «CALCIUM DISODIUM EDTA, DIAMMONIUM EDTA, DIPOTASSIUM EDTA, DISODIUM EDTA, DISODIUM EDTA-COPPER, TRISODIUM EDTA»3

Ein historisches Fabrikantentrauma

Dennoch sitzt die Angst vor dem Verderb einer ganzen Charge Seife – meist handelt es sich in Industriebetrieben gleich um mehrere Tonnen – auch heute noch tief. In Zeiten der ungebremsten Globalisierung, in der auch Seifen um die halbe Welt verschifft werden und die Lagerbedingungen weder auf der langen Reise noch später im Handel kontrolliert werden können, bleibt Haltbarkeit für diese großen Betriebe ein Thema.6

Ein Problem für die Natur

EDTA im Trinkwasser

Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) weist darauf hin, dass EDTA inzwischen nicht nur in Flüssen, Seen und ihren Uferbereichen nachweisbar ist, sondern zuweilen auch im Trinkwasser.8 Da mag es beruhigen, dass EDTA in begrenztem Umfang auch als Lebensmittelzusatzstoff E385 zugelassen ist, zumindest für Saucen, Dosen- und Glaskonserven, Halbfettmargarine und Schalentiere,9 Bedenken bleiben dennoch virulent.

Hintergrund für Bedenken ist die Fähigkeit von EDTA, Schwermetalle wie Quecksilber, Kupfer oder Blei zu binden10 die dann im Trinkwasser landen oder bei einem teilweisen Zerfall wieder freigesetzt werden.11 Diese Eigenschaft von EDTA macht sich die Medizin zunutze, die es in der sogenannten Chelat-Therapie beispielsweise bei Arterienverkalkung oder zur Entgiftung einsetzt.12 Dabei sollen die Schwermetalle, respektive Verkalkungen, durch EDTA im Körper gebunden und schließlich aus dem Körper ausgeleitet werden.

EDTA auf der Haut

Auf der Haut führt diese Wirkung dazu, dass auch ihr durch EDTA Stoffe wie etwa Eisen, Kupfer oder Zink entzogen werden, auf die sie angewiesen ist. Problematisch wird dies insbesondere dann, wenn die natürliche Hautbarriere bereits gestört ist,13 etwa durch zu häufiges Waschen oder eine Reinigung mit zu entfettenden Mitteln.

EDTA und seine Verwandten stecken im Übrigen nicht nur in Seifen, sondern als Emulgator, Schaumbildner oder Stabilisator auch in zahlreichen anderen Kosmetikprodukten – auch solchen, die für Babys zugelassen sind.

Quellen:

  1. Frey, Wolfgang: «Die Renaissance der Seife», Heiligkreuz, 2025, S. 219f. ↩︎
  2. Lush Retail Ltd.: ««Inhaltsstoff EDTA», online unter https://www.lush.com/at/de_at/i/edta, zuletzt aufgerufen am 15. September 2024. ↩︎
  3. Société L’ORÉAL: «Inhaltsstoffe EDTA», online unter «https://einblick-in-unsere-produkte.loreal.de/ingredients/edta», zuletzt aufgerufen am 15. September 2024. ↩︎
  4. Wikipedia: «Ethylendiamintetraessigsäure», https://de.wikipedia.org/wiki/Ethylendiamintetraessigs%C3%A4ure, zuletzt aufgerufen am 18. Oktober 2024. ↩︎
  5. Vgl. etwa Krings, Robert: «Neuzeitliche Seifen und seifenhaltige Waschmittel. Ein Handbuch und Nachschlagewerk für den Seifenfabrikanten, Praktiker und Chemiker», Zweite Auflage, Leipzig 1939, S. 72. ↩︎
  6. Frey, Wolfgang: «Die Renaissance der Seife», Heiligkreuz, 2025, S. 160. ↩︎
  7. Bayerisches Landesamt für Umwelt «UmweltWissen – Praxis. Wasch- und Reinigungsmittel», Augsburg, 2004, S. 6 und 12, online unter https://www.verbraucherservice-bayern.de/upload/files/Energie%20und%20Umwelt/uw_76_wasch_und_reinigungsmittel.pdf, zuletzt aufgerufen am 18. Oktober 2024. ↩︎
  8. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR): «Auswertungsbericht Komplexbildner», Koblenz, 2012, https://www.iksr.org/fileadmin/user_upload/DKDM/Dokumente/Fachberichte/DE/rp_De_0196.pdf, zuletzt aufgerufen am 18. Oktober 2024. ↩︎
  9. Wikipedia, a.a.O. ↩︎
  10. IKSR, a.a.O. ↩︎
  11. Wikipedia, a.aO. ↩︎
  12. Wikipedia: «Chelat-Therapie», https://de.wikipedia.org/wiki/Chelat-Therapie, zuletzt aufgerufen am 18. Oktober 2024. ↩︎
  13. Lautenschläger, Hans: «Komplexbildner & Co – ambivalente Ingredienzien in der Kosmetik», https://dermaviduals.de/deutsch/publikationen/inhaltsstoffe/komplexbildner-ambivalente-ingredienzien.html, zuletzt aufgerufen am 18. Oktober 2024. ↩︎

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