Hygienisch. Feste Seifen sind im Hausgebrauch genauso hygienisch wie Flüssigseifen. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Denn richtig verwendet und in einer geeigneten Seifenschale gelagert, bieten sie Keimen weniger Aufenthaltsqualität als der regelmäßig mit dreckigen Händen betätigte Drücker eines Flüssigseifenspenders. Und sauber machen sie genauso.
Zunächst ein Blick zurück in die Geschichte der Medizin und der Hygiene. Bis zur Entdeckung des Penicillins, welches am Ende des Zweiten Weltkriegs als erstes wirksames Antibiotikum gegen schwere Infektionen erfolgreich zum Einsatz kam, suchten Mediziner und Hygieniker mit Hochdruck und oft auch vergebens nach Mitteln zur Eindämmung von Krankheiten und ihrer Heilung.
Dabei waren Seifen neben anderen Substanzen auch stets im Blick als ein mögliches Mittel. Jahrzehntelang untersuchten Forscher Seifen verschiedener Zusammensetzung und stellten dabei auch fest, dass bestimmte Seifen gegen einzelne Bakterien wirken können. Letztlich traten Seifen ihren Siegeszug aber nicht als Heil- oder als Desinfektionsmittel, sondern als wirksame Mittel gegen die Verbreitung von Krankheiten, also als Mittel der allgemeinen Hygiene an.
Die Bedeutung des Händewaschens
Seifen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie zahlreiche Bakterien und andere Keime – wenn auch nicht wie ein Desinfektionsmittel eliminieren – so zumindest von der Haut abwaschen und damit ihrer Verbreitung Einhalt gebieten können.
Das regelmäßige Händewaschen mit Seife – im 19. Jahrhundert selbst unter Spitalärzten noch selten – ist daher aus gutem Grund längst zum allgemeinen Hygiene-Standard geworden und hat zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle verhindert. Das Robert-Koch-Institut formuliert es heute so: «Händehygienemaßnahmen gehören zu den wichtigsten Infektionspräventionsmaßnahmen.»
Können Seifen Erreger übertragen?
Immer wieder hat Hygieniker und Mediziner die Frage beschäftigt, inwieweit Erreger womöglich auch durch feste Seifen übertragen werden können. Wenn die Hauptwirkung der Seife nicht im Abtöten, sondern im Abwaschen der Erreger besteht, so die Überlegung, könnte es durchaus sein, dass Keime auf einem Seifenstück zurückbleiben und sich auf die Hände der- oder desjenigen übertragen, die/der sich danach damit die Hände wäscht.
Virulent wurde diese Frage speziell in den 1950er und 60er Jahren, als nach der erfolgreichen Einführung der Antibiotika die ersten Resistenzen auftraten, da die neuen Medikamente in Kliniken oft zu häufig und auch wahllos eingesetzt wurden. Mit diesen Erregern steckten sich entsprechend insbesondere Patienten in den Spitälern selbst an, daher ist auch von «Krankenhauskeimen» die Rede.
Überlebenschancen auf einem Stück Seife
Die erste Studie, die diese Frage konkret untersucht hat, stammt aus der biochemischen Forschungsabteilung des US-Konsumgüterkonzerns (und Seifenherstellers) Procter & Gamble. E. A. Bannan und L. F. Judge starteten für die 1965 im Fachblatt American Journal of Public Health veröffentliche und bis heute viel zitierte Studie Versuche mit Probanden, deren Hände absichtlich verkeimt wurden.
Zunächst untersuchten die Wissenschaftler, inwieweit die Bakterien überhaupt auf einem handelsüblichen Stück Seife (ohne antibakterielle Zusätze) überleben können. Im Versuch mit dem Krankenhauskeim Staphylococcus aureus, dem Darmbakterium Escherichia coli und zwei Varianten von Mikrokokken zeigte sich, dass die Zahl zumindest dieser vier Bakterienarten auf einem Stück Seife bereits nach wenigen Minuten deutlich zurück ging.
Kein Keimwachstum
Dies bestätige zum einen «den keimtötenden Charakter von Seife an sich» (zumindest für die vier untersuchten Keime), so die Forscher, zum anderen zeige der Versuch, dass sich die verwendeten Organismen auf der Seife nicht vermehren könnten.
Anschließend untersuchten die Wissenschaftler, inwieweit sich Bakterien von stark kontaminierten Händen beim Waschen auf ein Stück Seife und dann von diesem auf den/die nächste/n Verwender/in der Seife übertragen lassen. Um das zuverlässig messen zu können, wurde dazu das Bakterium Serratia marcescens verwendet, welches von Seife im Gegensatz zu den zuvor getesteten Keimen nicht beeinträchtigt wird.
Keine Übertragung von Keimen
Dazu wurden die Hände der Probanden zunächst in eine stark verkeimte Lösung getaucht, dann wuschen sie sich die Hände, eine Minute später wurde das benutzte Stück Seife von einem weiteren Probanden (mit sauberen Händen) ebenfalls zum Händewaschen verwendet. Sowohl die Seife, als auch die Hände des zweiten Probanden wurden dann auf Keime untersucht.
Ergebnis: «Massiv verkeimte» Hände können einerseits tatsächlich eine Anzahl Bakterien auf ein Stück Seife übertragen, andererseits geschieht «keine Übertragung der Organismen auf eine zweite Person», welche die Seife direkt im Anschluss verwendet.
Die richtige Seifenschale wirkt
Bezüglich der Wahl einer Seifenschale zeigte ein weiteres Experiment, dass solche mit einem Ablauf klar die empfehlenswerteren sind. Je besser Seife zwischendurch abtrocknen kann, umso weniger bietet sie Keimen überhaupt eine Überlebens- und/oder Vermehrungsgrundlage.
Abschließend zogen die Wissenschaftler dieses Fazit: «Bakterien werden durch den Gebrauch von Seife nicht von einer Person auf eine andere übertragen.»
Dies gelte selbst unter extremen Bedingungen wie häufiger Benutzung und der Verwendung ungeeigneter Seifenschalen ohne Ablauf. Seifenstücke seien aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Struktur tendenziell antibakteriell und böten Keimen keine geeignete Wachstumsgrundlage.
Versuch mit verkeimter Seife
Eine weitere Studie Ende der 1980er Jahre von Wissenschaftlern der US-Firma The Dial Corporation schliesslich die Variante mit absichtlich verkeimten Seifen aus und bestätigten die Ergebnisse der ersten Studie von 1965. Dial zählt heute zur US-Spartes des deutschen Konsumgüterherstellers Henkel. Auch diese Studie kam also aus dem Haus eines Seifenherstellers.
Abwaschen statt abtöten
Das bedeutet: Beim Waschen mit Seife werden sowohl die möglicherweise noch auf dem Seifenstück befindliche Keime wie auch die Keime auf den Händen eines Menschen zuverlässig abgespült und zwar in den Abfluss.
Darin besteht die Kraft der Seife: Sie ist – auch wenn sie gegen bestimmte einzelne Keime wie etwa behüllte Viren (wie etwa SARS-CoV‑2) direkt helfen mag – kein Desinfektionsmittel (schon gar kein universelles), sondern zuallererst ein zuverlässiges Reinigungsmittel. Seife wirkt so nicht nur gegen Schmutz, sondern auch gegen die Verbreitung von Krankheitserregern.
Das gilt übrigens genauso für die in den vergangenen Jahrzehnten in Mode gekommene Flüssigseife (auch wenn diese aus ganz anderen Rohstoffen hergestellt wird als feste Seife), die Reinigungswirkung ist die gleiche. Beide Varianten sind Tenside und damit in der Lage, Fett mit Wasser abzuspülen. Keime kleben ebenso wie Dreck aller Art gern an der von Natur aus leicht fettigen Hautoberfläche, mit Seife lässt sich all das abwaschen – ob fest oder flüssig.
Kein Unterschied in der Reinigungskraft
Das bestätigt der Leiter des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital in Osnabrück, Reinold Gross, in einem Interview mit dem Sender ntv: «Das Vorurteil, dass feste Seife schlechter in der Reinigungskraft ist, ist nicht wahr. Viele Untersuchungen haben dies widerlegt.»
Auch was feste Seifen als Nährboden für Keime betrifft, gelten im 21. Jahrhundert noch die Erkenntnisse der älteren Studien. Franz Reinthaler, stellvertretender Leiter des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Graz, formuliert es in der Tageszeitung Der Standard so: «Eine Vermehrung ist für Viren (auf Seifenstücken, Anm. d. Verfassers) eher nicht, für Bakterien und Pilze je nach Inhaltsstoffen der Seife nur sehr eingeschränkt möglich.»
Keine Hygienebedenken
Und selbst wenn sich Mikroorganismen auf den Seifenstücken befänden: Beim nächsten Waschgang würden sie heruntergespült, für den Hausgebrauch sei es aus Hygieneerwägungen also unerheblich, ob man feste oder flüssige Seife verwende.
Sein Rat: Eine geeignete Seifenschale verwenden, in der die Seife immer wieder abtrocknen kann und diese Schale regelmäßig säubern. Denn in einer Seifenschale ohne Ablauf, in der sie Seife im Wasser liege, könnten sich durchaus «Nasskeime» ansiedeln, trockene Flächen seien diesen feuchtigkeitsliebenden Mikroorganismen dagegen ein Gräuel.
Unterdessen gibt es bereits seit den 1980er Jahren immer wieder Hinweise darauf, dass die (fälschlicherweise) allgemein als hygienischer geltenden Flüssigseifen ein Problem mit Keimen haben: Das Problem ist dabei vor allem der Pumpmechanismus der handelsüblichen Plastikseifenspender. Selbst in Krankenhäusern wiesen Studien schon Keime in den Flüssigseifen nach.
Quellen:
Frey, Wolfgang: «Die Renaissance der Seife», Heiligkreuz, 2025, S. 61ff.